Viele Kfz-Versicherungen bieten mittlerweile sogenannte Telematik-Tarife an, mit denen Autofahrer*innen bei vorausschauender und vorsichtiger Fahrweise kräftig sparen sollen. Lohnt sich das – und welche Nachteile stehen den Versprechungen gegenüber? SchnelleAutohilfe.de hat sich mit dem HUK Telematik Plus Tarif beschäftigt und Erfahrungen aus dem Praxistest gesammelt.

Telematik-Tarife der Kfz-Versicherungen im Überblick

Ob Allianz, Verti oder HUK: Die meisten Kfz-Versicherungen bieten ihren Kunden mittlerweile die sogenannten Telematik-Tarife zur Auswahl, mit denen sich bis zu 30 Prozent sparen lassen. Über das Smartphone oder spezielle „Telematik-Boxen“ werden Fahrdaten gesammelt und daraus eine individuelle Risikobewertung vorgenommen. Über eine Handy-App lassen sich die Fahrten und deren Bewertungen nachverfolgen. Kurzum: Wer vorsichtig fährt, spart Geld. Allerdings sind die Telematik-Versicherungen umstritten …

  • Telematik-Kunden können bis zu 30 Prozent sparen
  • Das System sammelt Fahrdaten, wie Beschleunigung, Tempo und Bremsvorgänge
  • Je vorsichtiger die Fahrt, desto höher die Ersparnis!
  • Kritik der Datenschützer: Versicherungen erstellen ein Bewegungsprofil

Wie funktioniert der HUK Telematik Plus Tarif?

Wer sich für den Telematik Plus Tarif von HUK bzw. HUK24 entscheidet, erhält zunächst einen kostenlosen Telematik-Sensor, der in die Frontscheibe des Fahrzeugs geklebt werden muss. Dieser Sensor zeichnet die Fahrdaten auf, insbesondere das Tempo, die Beschleunigung sowie das Bremsen und Lenken. Aus diesen Werten wird ein Fahrwert gebildet, der den Folge-Bonus auf die Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung bestimmt.

Die Begründung der HUK: Wenn Sie vorausschauend und defensiv fahren, verursachen Sie weniger Unfälle. Das bedeutet geringerer finanzieller Aufwand für uns und weniger Versicherungsbeitrag für Sie – Sie sparen bares Geld!

Auch Uhrzeit und Ort der Fahrten haben „bedingt Einfluss“ auf den Folge-Bonus. In der Nacht, wenn es dunkel ist und die Gefahr von Übermüdung und Sekundenschlaf vorliegt, ist das Unfallrisiko höher. Die HUK erklärt, dass die Uhrzeit daher „grundsätzlich in der Bewertung eine Rolle spielt“, allerdings „nur in Kombination mit auffälliger und riskanter Fahrweise“.

Was zeichnet die HUK Telematik auf?

Neben den zuvor genannten Fahrdaten (Tempo, Beschleunigen, Bremsen & Lenken) sammelt die Telematik weitere Daten, nämlich GPS-Daten. Das ist wichtig, um die Position des Fahrzeugs zu ermitteln und mögliche Verstöße gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen feststellen zu können – denn hierfür gibt es kräftig Punktabzug. Die HUK Telematik erstellt ein umfassendes Bewegungsprofil, mit den gefahrenen Strecken, inklusive Dauer und Uhrzeit. Kurzum: Die Versicherungen wissen, wann und wo ihre Kunden*innen fahren.

Wo wird der HUK Telematik Sensor angebracht?

Der Telematik-Sensor, der Autofahrer*innen kostenlos zur Verfügung gestellt wird, muss an der Frontscheibe des Fahrzeugs befestigt werden. Dazu sind auf der Rückseite zwei Klebestreifen angebracht, die einen festen Halt garantieren und zugleich das schnelle Entfernen des Sensors verhindern. Es empfiehlt sich, die kleine Box, die etwa fünf mal fünf Zentimeter groß ist, hinter dem Innenspiegel anzubringen. Dort lässt sich der Sensor gut verstecken, ohne das Sichtfeld des Fahrers zu stören.

HUK Telematik Sensor
Der HUK Telematik Sensor lässt sich oben am Scheibenrand „verstecken“

Funktioniert die HUK Telematik ohne Handy?

Nein, die HUK Telematik Plus funktioniert nur im Zusammenspiel mit einem Smartphone, denn der Sensor misst zwar die Beschleunigungswerte, nicht jedoch die GPS-Daten. Das passiert über das Mobiltelefon, dessen Akku während der Fahrt also stark belastet wird. Außerdem werden die gesammelten Daten über das Smartphone an die Versicherungen übertragen.

Wer nun denkt, er könnte sein Smartphone einfach zuhause lassen oder ausschalten, wenn die Fahrt mal wieder etwas wilder wird, der täuscht: Es fließen auch Fahrten in die Berechnung mit ein, die ohne Smartphone durchgeführt werden!

Und wichtig: Wer sein Smartphone während der Fahrt verwendet, bekommt Punktabzug. Die Handynutzung während der Fahrt gehört zu den häufigsten Unfallursachen. Laut HUK kann das Handy allerdings problemlos als Mediacenter, Navigationssystem oder Freisprechanlage genutzt werden, wenn es in einer Halterung fixiert ist.

Was zeigt die HUK Mein Auto App an?

In der zugehörigen „HUK Mein Auto App“ können die Nutzer*innen alle gesammelten Daten abrufen, um „die Bewertung des Fahrverhaltens nachzuvollziehen“, sagt HUK. Wie in einem Fahrtenbuch sind alle Fahrstrecken sowie eventuelle „Ereignisse“, wie starke Bremsungen, zügige Beschleunigungen oder Geschwindigkeitsverstöße, dargestellt. In der App lassen sich die jeweiligen Fahrwerte für Bremsen, Lenken, Beschleunigen und Tempo sowie der voraussichtliche Folge-Bonus abrufen.

In der HUK Mein Auto App sind alle Fahrstrecken aufgezeichnet – inklusive „Ereignisse“, wie Tempoverstöße

Vorteile & Nachteile der HUK Telematik Plus

Die Vorteile der HUK Telematik Plus liegen auf der Hand: Autofahrer*innen werden zu einer vorausschauenden, vorsichtigen Fahrweise animiert und können dabei bis zu 30 Prozent sparen. Zudem bietet das System eine automatische Unfallerkennung, die eine schnelle Hilfe im Notfall bieten soll. Dem stehen allerdings auch Nachteile gegenüber, denn Autofahrer*innen werden für die Versicherungen gläsern.

Es werden sensible Daten erhoben und gespeichert, woraus sich individuelle Bewegungs- und Verhaltensprofile erstellen lassen. Im Zweifel können die Fahrdaten nach einem Unfall gegen die Autofahrer*innen verwendet werden. Auch die Frage, ob eine vorsichtige Fahrweise immer vorteilhaft und wirklich sicherer ist, bleibt umstritten – dazu im Erfahrungsbericht (weiter unten im Artikel) mehr!

VORTEILE
  • bis zu 30 Prozent Ersparnis
  • automatische Unfallerkennung
  • Animierung zur vorsichtigen Fahrweise
  • keine Extra-Kosten für Nutzer*innen
NACHTEILE
  • Versicherungen sammeln sensible Daten
  • Fahrdaten können gegen Autofahrer*innen verwendet werden
  • riskante Fahrweise, um „Ergebnisse“ zu vermeiden
HUK Telematik App
Datenschutz adé! Die Kfz-Versicherung weiß genau, wann und wo das Auto war – und welche Verstöße begangen wurden

Für wen lohnt sich der Telematik-Tarif der Versicherung?

Ein Telematik-Tarif lohnt sich vor allem für Fahranfänger*innen, weil die Prämien der Kfz-Versicherung in den ersten Jahren sehr hoch sind. Mit den gesammelten Prozenten lässt sich also besonders viel sparen. Zudem werden die jungen Autofahrer*innen zu einer vorsichtigen Fahrweise animiert, was für die anderen Verkehrsteilnehmer nur von Vorteil sein kann.

Wer hingegen schon lange unfallfrei unterwegs ist und eine hohe Schadenfreiheitsklasse bei der Kfz-Versicherung hat, der sollte aufpassen: Unter Umständen sind die Telematik-Tarife sogar teurer als die klassische Kfz-Versicherung, denn die versprochenen Rabatte sind oftmals nur eine Blende. Wer dann keinen hohen Folge-Bonus erreicht, der zahlt am Ende drauf.

HUK Telematik Erfahrungen aus dem Praxistest

Am Ende stellt sich die Frage: Wie gut funktioniert die HUK Telematik Plus im Alltag? Das haben wir in einem achtmonatigen Praxistest herausgefunden.

Die Voraussetzungen: Es handelt sich um eine junge Familie mit zwei Autos, einem Stadtflitzer für den täglichen Weg zur Arbeit – ohne Telematik – und einem größeren Familienauto, für gelegentliche Fahrten zum Einkaufen oder längere Strecken auf der Autobahn – das Testobjekt mit HUK Telematik Plus.

Der Anfang: In den ersten Monaten funktioniert alles super – der Telematik-Sensor ist an der Frontscheibe verklebt und sammelt fleißig Fahrdaten. Die Motivation der Besitzer*innen, sich möglichst keinen Fauxpas zu erlauben und den Folge-Bonus damit möglichst hochzuhalten, ist groß. Das Auto wird von beiden Partnern gefahren, entsprechend haben beide auch die „HUK Mein Auto App“ auf dem Smartphone installiert. Die Familie erlaubt sich auf den ersten Fahrten keine „Ereignisse“ und erreicht somit einen Folge-Bonus von 30 Prozent.

Die ersten Ereignisse: Dann geht alles ganz schnell, denn die ersten „Ereignisse“ kommen dazu. Eine stärkere Bremsung – weil ein anderer Autofahrer die Vorfahrt nahm -, ein übermäßiges Beschleunigen beim Auffahren auf die Autobahn oder eine rasante Kurvenfahrt, jedoch unter Einhaltung der Geschwindigkeitsvorgaben und ohne erhöhtes Risiko, zumindest aus Sicht des Nutzers. Der Folge-Bonus purzelt in den folgenden Wochen auf 21 Prozent.

HUK Telematik Test
Mittlerweile ist der Folge-Bonus in der HUK Mein Auto App auf 21 Prozent gefallen

Das Mysterium der Smartphone-Nutzung

Smartphone-Verbindung: Auch die Verbindung zum Smartphone scheint zu wackeln. Es kommt immer mal wieder vor, dass Fahrten gar nicht aufgezeichnet werden und damit nicht im Fahrtenbuch der App erscheinen. Ob sie für die Berechnung des Fahrwerts dennoch berücksichtigt werden? Vermutlich! HUK schreibt: Um von einem möglichst hohen Bonus zu profitieren, achten Sie darauf, dass Sie und eingeladene Fahrer bei jeder Fahrt das Smartphone mitführen und die App mit dem Telematik-Sensor verbunden ist.

Hinzu kommt eine weitere Frage der Test-Nutzer, denn die Verwendung des Smartphones während der Fahrt wirkt sich offenbar negativ auf die Bewertung aus. Was aber, wenn beide Partner mit ihren Smartphones, die beide mit dem Telematik-Sensor verbunden sind, im Auto sitzen. Wie stellt das System fest, wer Fahrer und Beifahrer ist? Und was passiert, wenn der Beifahrer das Handy des Fahrers nutzt?

HUK Telematik Testfazit: „Schwer, den vollen Bonus zu erreichen“

Das Fazit unseres Testnutzers: „Die Transparenz der Bewertungen lässt teilweise zu wünschen übrig. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sich einzelne Ereignisse auf die Gesamtwertung auswirken. Zudem sind einige Werte nach einem guten Start kontinuierlich gefallen, obwohl keine zugehörigen Ereignisse zu verzeichnen waren.

Beispiel: Das linke Bild zeigt das Lenkverhalten der vergangenen Wochen. In den Kalenderwochen 3, 4 und 5 wurde jeweils ein maximaler Fahrwert von 100 erreicht. In den Kalenderwochen 6 und 7 wurde das Fahrzeug nicht genutzt, sodass keine Werte gesammelt wurden. Erst in der achten Kalenderwoche ist aufgrund eines einzelnen (!) Lenkereignisses kein Höchstwert erzielt worden. In KW 9 wurde wieder der Maximalwert erreicht. Dennoch ist im rechten Bild zu erkennen, dass der Fahrwert für das Lenkverhalten nach einem gutem Start mittlerweile kontinuierlich fällt – trotz der guten Werte in den vergangenen Wochen. Wie passt das zusammen?

Zwar sagt die HUK, dass sich ein einzelner Fahrfehler (z.B. einmalige Überschreitung der Geschwindigkeit) oder ein einzelnes Ereignis (z.B. abruptes Bremsen in einer Gefahrensituation) „nicht entscheidend auf den Folge-Bonus auswirkt“, doch das subjektive Empfinden ist ein anderes. Jedes noch so kleine Ereignis führt gefühlsmäßig zu einer drastischen Abwertung und die anschließende Erhöhung des Folge-Bonus ist auch bei umsichtiger Fahrweise kaum möglich.

Macht die HUK Telematik das Fahren sicherer?

Insgesamt stellt sich sogar die Frage, ob das Fahren mit der HUK-Telematik tatsächlich zu einem sicheren Fahrverhalten beiträgt. Beispiel: Wer bei Gelb noch schnell über die Ampel fährt, um ein Bremsereignis zu vermeiden, handelt sicherlich nicht im Sinne der Verkehrssicherheit. Zudem ist es ratsam, die hinteren Bremsen gelegentlich durch ein kräftige Bremsung von Rost zu befreien. Das spart man sich lieber.

Wenn es am Ende des Jahres bei einem Folge-Bonus von rund 20 Prozent bleibt, kann ich mich grundsätzlich nicht beschweren – obwohl ich mich als vorausschauenden, vorbildlichen und umsichtigen Autofahrer bezeichnen würde. Deshalb ärgere ich mich schon, dass ich nicht den vollen Bonus erreicht habe. Vielleicht werde ich entscheiden, ob das System für die Zukunft wirklich Sinn macht, oder ob ich wieder auf den alten Vertrag wechsle.“

Telematik-Tarif der Versicherung: Versuch macht klug?

Ob die HUK Telematik sinnvoll ist, müssen Autofahrer*innen am Ende selbst entscheiden. Sicher ist, dass es kein Selbstläufer ist, den vollen Bonus von 30 Prozent zu erreichen. Wer lieber etwas schneller fährt und sich keine Gedanken über die Fahrweise macht, ist mit eine der HUK Telematik wohl falsch beraten. Auch, wer großen Wert auf Datenschutz legt, sollte besser verzichten. Probieren kann’s aber jeder. Und: Zum Einstieg gibt es bei der HUK einen Start-Bonus von fünf Prozent – unabhängig vom Fahrverhalten.

Hast du eigene Erfahrungen mit dem HUK Telematik Tarif oder einem vergleichbaren System gesammelt? Teile uns in den Kommentaren gerne mit, welche Vorteile die Kfz-Telematik für dich bietet – und welche Punkte dich stören. Diskutiere die Vor- und Nachteile mit anderen Nutzer*innen. Danke!

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